ROTE NASEN Clowns und das virtuelle Spiel

03.September 2020
  • Clowns im Einsatz

Krachen. Fiepen. Donnern. Surren.
Mit jedem Zentimeter, den die Tür zu Leos Zimmer weiter aufgeht, empfängt uns immer deutlicher eine Geräuschwolke aus der Spielkonsole...
Explosionen. Detonationen. Kanonen. Schmerz.

Wir, Bernhart und Igor, sind auf der Kinderstation des Krankenhauses Wiener Neustadt und betreten das Zimmer des frisch operierten, 11jährigen Leo. Nach einer detaillierten Übergabe sind wir informiert, dass Leo sich seine Spielkonsole aufbauen hat lassen. Langweile pur. Schüsse. Ein kurzer Moment Stille. Nachladen. Wir erblicken Leo aufgerichtet sitzend in seinem Bett, hochkonzentriert auf den Bildschirm an der Wand des Zimmers blickend, die Hände und Finger über den Controller tänzelnd. Er sieht uns nicht, aber seine Mama schaut uns mit erfreut-besorgter Miene an. Es ist eine spezielle Situation, die jedoch auch viel über unsere Clown-Besuche aussagt: Wir treten auf keiner Bühne für ein interessiertes, zahlendes Publikum auf, sondern begeben uns in die Lebensrealität eines – kranken – Menschen und müssen uns mit ebendieser Realität auseinandersetzen. Sie in unser Spiel integrieren. Also Leos Spiel zu unserem machen. Clowneske Transformation. Dass er sich dabei ein gewalttätiges Shooter-Spiel reinzieht, macht die Sache noch einmal herausfordernder für uns.

Die Playschteischen...

Schnell, wie wir meistens Entscheidungen treffen müssen, fällt Bernhart den Entschluss, dass er ebenso begeistert vom Computerspiel ist und eigentlich wie gemacht ist, um auch mitzuspielen. „Wow! Das ist eine Playschteischen, oder!?“ Leo nimmt uns wahr und zeigt ein erstes Schmunzeln. Wir bleiben dran. „Darf ich auch einmal, ich bin ein Meister darin!“ Bernhart fängt an, mit seiner umgedrehten Ukulele auf den Bildschirm zu schießen. Es beginnt ein feines clowneskes Spiel, das darin besteht, dass nur Bernhart nicht kapiert, dass er die Figur im Bild nicht wirklich lenkt, sondern weiterhin Leo.Igor scheint sich in Grund und Boden zu schämen, versucht Bernhart aufzuklären, kommt aber gegen dessen Enthusiasmus nicht an.

Also muss Leo uns in die Geheimnisse des Spieles und in die Funktionalität des Controllers einweihen. Wir hängen an seinen Lippen und kommen aus dem Staunen nicht heraus. Leo ist lockerer geworden, sichtbar belustigt über unsere offenen Münder und verwirrten Mienen, aber auch stolz und erfreut, dass sich jemand so für sein Spiel interessiert. Er spielt weiter, lässt blöde Tipps von uns geduldig über sich ergehen und auch Leos Mama scheint sehr dankbar und amüsiert darüber, dass der bittere Ernst, den ihr Sohn noch vor wenigen Minuten an den Tag gelegt hatte, einer lockeren Stimmung gewichen ist. Leos Gesichtszüge sind weicher, weniger verkrampft. Seine Augen haben nun ein schönes Leuchten.

Alle vier im Raum philosoblödisieren wir über den Umstand, dass es im Spiel ständig dunkel ist. Sind wir grad am anderen Ende der Welt? Warum steht die Figur dann nicht Kopf? Fragen über Fragen … Wenn der Spielverlauf wieder heftiger wird, halten wir Leo und seine Spielfigur dazu an, doch auch mal zu entspannen, durchzuatmen, die Füße hochzulegen.

An dieser Stelle zeigt uns Leo die Möglichkeit, die Spielfigur wirklich mal aus dem Kampfgeschehen herauszunehmen und sie auf einem Hüpfball durch die Gegend hopsen zu lassen. Wir sind entzückt! Wer hätte das gedacht? Das ist für uns eine perfekte Gelegenheit, um das Hüpfen mit einem lässigen Groove zu begleiten, immer im Rhythmus der Auf-und-Ab-Sprünge der Figur. Die Stimmung steigt, Leo lacht, seine Mama hat feuchte Augen – teils vor Lachen, teils vor Glück.

Das beflügelt Leo so sehr, dass er die Spielfigur nun eine Posaune aus dem magischen, schier bodenlosen Rucksack auspacken lässt und sie darauf zu spielen beginnt. Die passenden Trompetentöne liefert Igor auf seiner Mundtrompete.Und so nützen wir die entstandene Hochstimmung für einen beschwingten Abgang, immer noch im Groove wippend. Die Energie, die in Leos Raum flirrt, wird hoffentlich noch länger dort zu spüren sein. Wir ziehen weiter und gleich heißt es für uns wieder:

New Game. Ready Player One? Ready Player Two? Start!

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