Emergency Smile Ukraine: Vertrauensvolle Begegnungen in der Messehalle Wien

21.April 2022
  • ROTE NASEN Interviews
  • Emergency Smile Ukraine

Daniel Rüb alias Clown Raimund erzählt von seinen bisherigen Erfahrungen bei Clown-Einsätzen bei geflüchteten Menschen aus der Ukraine. In seiner Funktion als Koordinator der Emergency Smile-Einsätze in Wien, Burgenland und Niederösterreich sowie Clown vor Ort besucht er seit einigen Wochen das Verteilerzentrum in der Messehalle und das Ankunftszentrum in der Engerthstraße in Wien. Dort arbeitet ROTE NASEN eng mit einigen Hilfsorganisationen wie Train of Hope, Samariterbund, Johanniter, Rotes Kreuz und privaten Initativen zusammen.

Wie bereitet ihr euch auf die Einsätze im Vorfeld vor?

Vor allem ist wichtig, dass wir uns vor einem Einsatz bewusst werden, was uns erwartet und dass wir auf traumatisierte Personen treffen können. Vor den ersten Einsätzen haben wir wissbegierig ukrainische Wörterbücher durchforstet und ukrainische Lieder einstudiert, um so den Kontakt spielerisch aufzubauen. Wir haben einige hilfreiche, aber auch etwas skurrile ukrainische Wörter und Sätze vorab gelernt. Mein Lieblingssatz ist zum Beispiel: „Ich habe heute Morgen geduscht" oder: „Guten Appetit“ und „Herzlich Willkommen“. Oft kommt dann auf Deutsch „Danke“ zurück.

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Wie kann man sich einen Clownbesuch im Ankunftszentrum oder in der Messehalle vorstellen?

Wie bei unseren anderen Einsätzen auch, kommen wir in den Raum und schauen erstmal, wie die Stimmung ist. Wir achten genau darauf, wo wir gerade erwünscht sind und wer gerade lieber alleine sein möchte.  

Wir müssen also, wie bei unseren Einsätzen in Spitälern und Pflegewohnheimen auch, sehr wach sein und genau spüren, welche Person gerade was von uns braucht. Wir kommen also an und legen unseren Fokus zunächst darauf zu erfassen, was im Moment gerade da ist, womit wir spielen können.

Ich habe zum Beispiel gemerkt, bei dem großen Essensbereich in der Messehalle kommen wir gut in die Begegnung mit den Menschen. Hier sitzen die Familien mit ihren Kindern und teilweise auch Haustieren um große Tische versammelt. Ich habe den Eindruck, als wäre das nach der beschwerlichen Reise bei vielen ein Moment des Ankommens, des Durchatmens

Wenn wir in dieser Situation zuerst auf die Kinder zugehen und sie freudig auf uns reagieren, überträgt sich diese Stimmung oftmals schnell auf ihre Eltern. Die eigenen Kinder lachen zu sehen, dient als kurze Pause, in der Emotionen abfallen können. In solchen Momenten können dann auch schon mal Tränen fließen. Das ist meiner Meinung nach nichts Negatives, das darf und muss dann auch mal raus.

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Stellt die Sprachbarriere ein Hindernis dar?

Nein. Das ist ja das schöne, dass wir mit unserem Körper so viel erzählen können. Mit unserer Körpersprache, unseren Blicken und ukrainischer Musik.

Ansonsten haben die Kinder einen großen Spaß dabei, uns Clowns zuzusehen, wie wir miteinander umgehen, wenn wir ein Problem haben und wie wir das Missverständnis clownesk und etwas ungeschickt lösen.

Was war dein bisher schönstes Erlebnis in der Begegnung mit ukrainischen Geflüchteten?

Wir hatten ein berührendes Erlebnis in dem Verteilerzentrum des Roten Kreuz. Im Essensbereich saß eine vierköpfige Familie: Vater, Mutter und zwei Söhne im Alter von ca. acht und zehn Jahren. Sie beobachteten uns - mich Clown Raimund und Clownin Irmi - bei einem Dilemma: Irmi bewegte sich plötzlich wie auf Eis und rutschte immer und immer wieder aus, während ich alle Mühe hatte, sie wieder aufzufangen.

Als ich die beiden neugierig zu uns herüberblickenden Buben entdeckte, winkte ich sie hoffnungsvoll zu uns herüber und bat sie, uns zu helfen. Mit vereinten Kräften konnten wir Irmi dann endlich wieder erfolgreich fixieren und hinstellen. Das war für uns alle sehr lustig. Die Burschen gingen nach getaner Arbeit stolz zu ihrem Platz zurück und widmeten sich ihrem Mittagessen. Wir wünschten allen einen Guten Appetit, woraufhin die Eltern uns wertschätzend zulächelten. 

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Ca. eine Stunde später sind wir noch einmal an der Familie vorbeigekommen. Clownin Irmi und ich setzten uns zu ihnen und gaben unsere Ukrainisch-Kenntnisse zum Besten. Sie konnten auch etwas Englisch, aber eigentlich war die Sprache gar nicht so wichtig. 

Die Interaktion hat viel Spaß gemacht. Wir hatten innerhalb kürzester Zeit eine sehr wertschätzende, freundliche, mitmenschliche Beziehung zueinander aufgebaut.

Immer wieder fiel mir meine Perücke vom Kopf und Irmi versuchte geeignete Plätze für meine haarige Kopfbedeckung zu finden - sehr zum Vergnügen der zwei lachenden Burschen. Wir spürten deutlich, wie sehr sich die Eltern freuten, ihre Kinder fröhlich zu sehen.

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Nach einer Weile verabschiedeten wir uns von der Familie. Doch der Vater hielt uns kurz vorm Ausgang auf und sagte, er möchte uns noch etwas zeigen. Lächelnd präsentierte er uns ein Foto, offenbar von ihrem letzten Weihnachtsfest. Auf seinem Handy sahen wir nun die Familie schick angezogen vor einem bunt geschmückten Weihnachtsbaum. Der Vater war als Weihnachtsmann verkleidet, die Kinder trugen einen feinen Anzug. Dieser Moment hat mich sehr gerührt. Ich fand es sehr vertrauensvoll, dass er uns dieses Privatfoto zeigte und gleichzeitig verdeutlichte es sehr klar die Bitterkeit der Situation: Letztes Weihnachten, das noch gar nicht so lange her ist, war ihre Welt noch in Ordnung. Und nun befindet sich diese Familie in einem Verteilerzentrum, in der Hoffnung auf eine sichere Zukunft. 

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