Emergency Smile Ukraine: Clowns im Ankunftzentrum in Wien

17.März 2022
  • Emergency Smile Ukraine

Die „Sports & Fun“ Halle in Wien Leopoldstadt ist nun erste Anlaufstelle und ein Ankunfts- und Registrierungszentrum für geflüchtete Menschen aus der Ukraine. Die große Sporthalle wurde von der NPO „Train of Hope“ rasch umfunktioniert: Es gibt nun einen Bereich mit Tischen und Sesseln zum Ausruhen, die Essensausgabe, den Bereich der Kleiderausgabe und den Bereich der Beratung und Registrierung. Für Kinder wurde eine Spielecke eingerichtet. Wie hier unsere ROTE NASEN Clowns hineinpassen, darüber berichtet Christian Sommer alias Clown Bernhart.

Im Vorfeld unseres Besuchs in dem Ankunftszentrum für geflüchtete Menschen aus der Ukraine war ich nervös, weil ich nicht wusste, was auf mich zukommt. Bisher waren meine Emergency Smile Einsätze in kleineren, überschaubaren Unterkünften. Deshalb konnte ich es vorab nicht einschätzen, wie ich mich als Clown in einer so großen Halle fühlen würde. Wir wussten nicht, wie viele Kinder da sein würden. Ob es notwendig wäre uns klar abzugrenzen und kleinere Showelemente zu bringen oder ob tatsächlich einzelne Begegnungen stattfinden könnten.

Ich habe mir davor meinen echten und imaginären Requisitenkoffer mit Tools und Tricks gepackt.Die Musik war mir sehr wichtig, denn es war klar, dass uns vor allem die Kinder durch Sprache nicht verstehen würden. Gemeinsam mit meinem Clownkollegen Harald habe ich mich sehr genau auf diesen Einsatz vorbereitet.

Als wir bei der Halle ankamen, konnte ich gleich diese ruhige Grundstimmung spüren. Alle Menschen waren arbeitsam und konzentriert, aber auch sehr müde. Wir haben bei den Geflüchteten ein gewisses Durchatmen und Durchschnaufen gespürt. Dieses Realisieren, nun endlich in Sicherheit zu sein. Wir sind von den Organisator*innen von Anfang an sehr freundlich und unkompliziert empfangen worden. Es sind ganz viele Freiwillige dort die mithelfen. Viele von ihnen sprechen ukrainisch oder russisch. Laufend werden Sachspenden von Freiwilligen vorbeigebracht. Minütlich kommen mehr und mehr ukrainische Familien an. Es sind großteils Mütter mit ihren Kindern, aber auch Großeltern. Viele Menschen haben ihre Haustiere mit dabei. Das war für mich ein ganz neuer Eindruck, gleichzeitig auch schön und spannend zu sehen.
 

Ich, Clown Bernhart, werde bei Hunden nämlich zum Angsthasen, je kleiner der Hund ist, desto schlimmer! Ich verstecke mich dann hinter allen möglichen Dingen. Mein Clownpartner Harald und ich hatten eine Begegnung mit einer Dame, die einen Chihuahua auf einem Arm hielt. Ich hatte davor schon bei der Kleiderausgabe ein kleines felliges Tuch gefunden, das ich zusammengerollt auf meinem Arm getragen habe. Dann sind wir der Dame begegnet und ich habe ihr meinen „Hund“ vorgestellt und sie mir ihren. Das war ein schöner Moment.

Wir konnten als Clowns dort so mit den Menschen zusammen sein, wie ich es mir gewünscht hatte. Eine Begegnung ergab sich aus der vorigen. Es war ein sehr respektvoller Umgang mit uns und miteinander. Wir haben wahnsinnig viel Dankbarkeit von Seiten der Erwachsenen erfahren dürfen.

Wir waren um ein sehr feinfühliges Vorgehen bemüht, haben vorsichtig abgetastet, wie denn die Stimmung ist. Wir hatten den Anspruch, nicht stören zu wollen und gleichzeitig mit der feinen Sprache des Humors etwas Leichtigkeit zu den Menschen zu bringen. An den Reaktionen der Erwachsenen haben wir gemerkt, dass uns das auch gelungen ist. Viele haben uns auch auf Englisch gesagt: „Danke, dass ihr da seid!“, „Es ist so wertvoll, dass ihr etwas Humor in diese ernste Situation bringt!“

Unsere erste Begegnung...

... in dieser Halle war mit einem vierjährigen Buben. Über einen kleinen Ball, den er bei sich hatte, konnten wir den Kontakt herstellen. Er hat sich herrlich zerkugelt mit uns. Es gab dort auch einen kleinen Hubwagen, auf den sich mein Clownkollege Harald gestellt hat. Der Bub durfte ihn herumschieben. Es war ein schönes Spiel mit all den Schwierigkeiten, die Harald dort oben hatte und mit meiner gespielten Besorgnis, jegliche Karambolagen zu vermeiden. Der Bub konnte sich da wunderbar austoben. Er war locker und gelöst. Eine Helferin kam auf uns zu und meinte, dass sie sich sehr freute ihn so zu sehen, da der Bub bis zu diesem Zeitpunkt nur geweint hatte. Es war das erste Mal, dass er heute gelacht hat.

Wir waren auch in der Kinderspielecke, wo wir den meisten Kindern begegnet sind. Dort kam ein zweijähriges Mädchen auf mich zu und deutet auf meine Ukulele. Ich begann ein sanftes, verträumtes Lied zu spielen. Das Mädchen hatte eine elektrische Zahnbürste in der Hand. Während also Clown Bernhart das Lied spielt, nähert sie sich mit dieser Zahnbürste und dreht sie auf! Das war für den ängstlichen Bernhart zu viel, woraufhin sie meinen Clownkollegen und mich damit verfolgt hat. Das ist das Allerschönste für uns, wenn nicht wir für die Kinder etwas spielen, sondern sie das Spiel bestimmen und Teil des Spiels sind. Dieses so genannte „Empowerment“ ist sowohl bei diesen Emergency Smile Einsätzen als auch in der Kinderpsychiatrie so wichtig: Auf einmal führen die Kinder Regie oder dürfen uns herumkommandieren. Sie treten aus dieser Machtlosigkeit heraus und haben wieder das Sagen. Für uns Clowns ist es ein gelungenes Spiel, wenn die Kinder die Helden sind und auf einer hohen Stufe stehen können.

Die Kinder wollten uns dann auch unbedingt Dinge zeigen, die sie können. Ein etwa fünf Jahre alter Bub hat uns beispielsweise einen Handstand auf einer Hand gezeigt. Ein anderes Mädchen hat einen blau-gelben Hut gebastelt und uns präsentiert. Es war wichtig für die Kinder, sich zu zeigen, in dem was sie sind und was sie konnten.

In einem anderen Bereich...

mit Tischen und Sesseln, wo Menschen gesessen, gegessen oder sich ausgeruht haben, konnten wir sehr schnell das Eis mit unseren rudimentären Ukrainisch-Kenntnissen brechen. Ich hatte mir dafür extra ein kleines Büchlein mit für mich wichtigen Worten vorbereitet. So stand ich, Clown Bernhart, vor einem der Tische, blätterte darin und sagte dann zu den erwartungsvoll dreinblickenden Menschen auf Ukrainisch: „Zahlen bitte!“ Mein Clownkollege Harald hatte auch Zungenbrecher und ein Lied auf Ukrainisch vorbereitet. Die Menschen haben sich durch diese kleinen Gesten des Entgegenkommens – dass wir uns die Mühe gemacht haben, extra etwas in ihrer Sprache zu lernen - sehr wertgeschätzt gefühlt.

Mit den Erwachsenen waren unsere Begegnungen dann viel über das Sprache-Lernen geprägt, da sie uns korrigiert haben oder versucht haben, die richtigen Worte zu finden. Bei einer Gruppe Erwachsener habe ich mich beispielsweise mit den ukrainischen Worten vorgestellt: „Mein Name ist Samstag!“ Es war dann für uns alle ein großer Spaß, diesen Irrtum aufzuklären – oder auch nicht. Auch Slapstick war sehr beliebt. So hatten wir alle möglichen Schwierigkeiten mit Alltagsgegenständen.

In dem Ausgabebereich für Kleidung sah es ein wenig so aus wie in einem Geschäft. Die Menschen gingen da vorbei, um zu sehen, was sie brauchen könnten. Die Stimmung war geschäftig und ernst. Wir gingen dort in einer gelösten Stimmung vorbei, entdeckten ein Kleidungsstück, probierten es an. Dann suchten wir den Blick der Kinder und Erwachsenen, ob uns dieses Kleidungsstück steht. Dadurch konnten wir diese konzentrierte Ernsthaftigkeit etwas aufbrechen und den Menschen ein Durchatmen und Schmunzeln schenken.

Ein Highlight für uns...

... waren dann auch Jugendliche, die gerade Basketball gespielt haben. Auf einmal waren wir zwei Clowns, die unbedingt mitmachen wollten, die versucht haben, sich freizulaufen und wenn sie den Ball hatten, nicht wussten, was sie damit machen sollten. Die Jugendlichen haben großen Spaß daran gehabt, mit uns gemeinsam zu spielen und daran, dass wir das Spiel anders ernst genommen haben als sie. Auch mit dem Personal und den Helfer*innen gingen wir in Begegnung. Wir haben ihnen kleine Lichtblicke in ihrem geschäftigen Alltag geschenkt. Die Rückmeldungen waren, dass wir jederzeit herzlich willkommen sind und sie sich über weitere Besuche freuen würden.

Die Kunst mit den Menschen war es für uns, im übertragenen Sinne nicht zu laut zu sein. Uns war hier der feine Humor wichtig. Wir haben versucht, in unserem Clownspiel dem Rechnung zu tragen, was diese Menschen erst vor Kurzem alles erlebt haben und dass die Traumata der Flucht noch ganz frisch waren. Und ich glaube, das ist uns gelungen.

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