Clown Bernhart erzählt über seine Besuche im Pflegeheim Neudörfl...

10.September 2020
  • ROTE NASEN Interviews

Seit 2012 ist Clown Bernhart alias Christian Sommer einmal pro Monat im Pflegeheim Neudörfl zu Besuch. Immer mit dabei: seine Clownkollegin Rosa. 

1.Wie reagieren die Bewohner*innen des Pflegeheims auf Deinen Besuch?

Unsere ROTE NASEN Besuche in Neudörfl fühlen sich für mich wie ein Nachhausekommen an. Anders herum scheint es für viele Bewohner*innen des Pflegeheims auch so zu sein, als ob liebe Freunde oder Verwandte wieder zu Besuch kommen.

Ich werde schon ungeduldig und voller Freude aber auch Anspannung von unserer Freundin Maria* am Parkplatz, ja manchmal auch schon an der Straße erwartet. Oft, wenn wir dann schon umgezogen, sprich verwandelt als Clowns uns den Bewohner*innen nähern, werde ich schon von Weitem und rufend begrüßt und zu ihnen hergewunken. Dann kann ich ein Leuchten in vielen Augen erkennen. Dann scheinen die eben noch in sich zusammengesunkenen Menschen plötzlich innerlich aufzublühen, lächeln, strahlen. Besonders schön ist es, wenn sich Menschen, die sich nach außen schon völlig abgekapselt haben, für einen kurzen Moment von unserer Energie anstecken lassen und ein kleines Fenster in ihre Seele öffnen.

2.Was willst du mit Deinem Besuch erreichen?

Ich möchte den Menschen besondere Momente schenken. In einem Alltag, der für viele der Bewohner *innen eintönig und grau ist, möchte ich ein wilder Farbtupfer sein. Ich möchte kleine Überraschungen parat haben, Gewohntes außergewöhnlich machen, die Gesetze des Lebens ein klein wenig außer Kraft setzen. Ich möchte mein Gegenüber schwelgen lassen:  “Ach, diese Melodie erinnert mich an damals, als ich noch jung war...” Ich will den Menschen vor mir mit Clownaugen sehen, also neugierig, offen und voller Staunen.

Ich möchte die Bewohner*innen “auf ein Podest heben”, ihnen das Gefühl geben, dass sie einzig- und großartig sind und dass sie sich vollsten Respekt und Anerkennung verdienen. Bloß weil sie sind, wer sie sind. Und natürlich möchte ich auch mit den Menschen blödeln, Spaß haben, den Ernst kurz mal vergessen. Aber manchmal gilt es auch einfach nur dazu sein, den Mensch ernst zu nehmen, ihn wahrzunehmen, aufmachen und empfangen. Mich selber dabei hinten anzustellen.

Clown-Sein bedeutet in seiner größten Disziplin auch mal EINFACH NUR DA SEIN. In seiner reinsten Form. Ich möchte dort, wo wir uns bewegen einen” Duftabdruck” hinterlassen, der für ein paar Stunden bleibt. Positive Energie, die auf das Personal übergeht und dieses vielleicht weiterträgt, wenn wir schon wieder längst weg sind.

3. Was war Dein schönstes Erlebnis im Pflegeheim Neudörfl?

Wir besuchen in einer der zwei Stationen seit Jahren eine liebe, alte Freundin, die sich trotz großer Aufmerksamkeit durch die täglichen Besuche Ihres Lebensgefährten immer sehr auf uns freut.

Eines Tages, kamen wir in Ihr Zimmer und Bernhart war einfach neben der Rolle, alles ging schief, alles machte er falsch. Frau H. war so amüsiert, dass sie vor lauter Lachen Tränen vergoss.

4. Wie ist es für Dich, einen Bewohner über längere Zeit zu begleiten?

Wenn wir das Glück haben, jemanden über mehrere Jahre zu begegnen, dann entsteht mit manchen eine tiefere Verbindung. Manchmal fühlt es sich wie eine Freundschaft an. Wie in anderen Freundschaften auch genügen da oft nur Blicke, um der Person in die Seele hineinzuschauen. Je länger uns die Person schon kennt, desto mehr entsteht aber auch der Ehrgeiz, sie mit neuen Facetten unseres Clownlebens, neuen Liedern, kleinen Überraschungen zu beschenken.

5.Wie gehst Du mit schwierigen oder belastenden Situationen um?

Ich versuche, diese Situationen, die meistens mit Tod, Verlust, Einsamkeit und Krankheit zu tun haben als Teil des Lebens zu betrachten. Ich versuche einfühlend zu sein und dem Betroffenen trotzdem einen Hauch von Hoffnung zu schenken. Ich selber sehe meine Arbeit so, dass ich selbst bei schwierigsten Begegnungen die Situation nur besser gestalten kann, im schlimmsten Fall nichts erreiche, aber meistens doch einen Funken Leichtigkeit hinterlassen kann.

*Namen wurden von der Redaktion geändert
*Die Fotos in diesem Beitrag sind bereits in den letzten Jahren, weit vor dem Ausbruch der COVID19-Pandemie entstanden. Für ROTE NASEN haben der Schutz und das Wohlergehen der Menschen, die sie besuchen, oberste Priorität! Selbstverständlich halten sich ROTE NASEN Clowns an alle geltenden gesetzlichen und einrichtungsinternen Abstands-, und Hygienevorschriften.

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