Was war dein bisher schönstes Erlebnis bei den Besuchen auf den psychiatrischen Stationen?
Die Besuche auf den psychiatrischen Stationen sind etwas ganz Besonderes und ich mache das wahnsinnig gerne. Ich durfte schon sehr viele schöne Begegnungen und Situationen miterleben.
Aber ein Erlebnis ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Es gab eine Dame, die wegen Depressionen sehr lange auf der Station war. Als wir sie das erste Mal besuchen wollten, war sie sehr ablehnend. Das haben wir natürlich akzeptiert und uns freundlich wieder verabschiedet. Wir haben aber metaphorisch „die Tür offengelassen“. Sie konnte uns jeder Zeit das Signal geben, dass sie Interesse an einer Interaktion hat. Es ist ganz wichtig in unserer Arbeit, Ablehnungen positiv anzunehmen.
Als wir das nächste Mal auf der Station waren, schaute uns die Dame auf einmal neugierig nach. Sie hatte wohl mitbekommen, dass ihre Mitpatient*innen die Zeit mit uns sichtlich genossen haben. Bei einem der nächsten Einsätze geschah etwas Wunderschönes: Die Dame stand extra aus dem Bett auf, machte sich fein und kam tatsächlich zu uns. Das ist bei Depressionen wirklich keine Selbstverständlichkeit. Auch das Pflegepersonal berichtete uns, dass das ein wahnsinnig gutes Zeichen ist. Das war ein totales Erfolgserlebnis.
Damit war das Eis gebrochen. Die Dame erzählte uns, dass sie leidenschaftliche Sängerin ist und früher in einem Chor war. Wir machen generell sehr viel mit Musik und Gesang, weil es ein emotionales Transportmittel ist und viel bewegen kann. Sie hatte immer wieder Liederwünsche, die wir ihr natürlich gerne erfüllten – soweit wir diese Lieder kannten. Schon bald begann sie in unseren Gesang miteinzustimmen. Ab dem Moment sangen wir regelmäßig gemeinsam. Die Interaktion mit ihr wurde etwas ganz Besonderes.
Nach einiger Zeit ging es ihr glücklicherweise deutlich besser und sie konnte die Station verlassen. Sie verabschiedete sich mit den Worten: „Ich werde das Singen vermissen“.
Ein paar Monate später fand der ROTE NASEN Tag am Wiener Stephansplatz statt. Mein Kollege und ich, mit dem ich sie auch damals besucht hatte, waren auch an dem Tag als Duo unterwegs. Auf einmal kam diese Frau freudig auf uns zu. Sie hatte von dem ROTE NASEN Tag gehört und gehofft, uns hier anzutreffen und hatte ein Geschenk für uns dabei: ein österreichisches Liederbuch zur Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit. Das war definitiv eines meiner schönsten Erlebnisse.
Es ist sehr berührend für uns, wenn die Interaktion anfangs herausfordernd ist und dann zu so wunderschönen Begegnungen führt.