Der Hexenschuss
Aloisia ist halt auch nicht mehr das, was sie einmal war. Früher konnte ihr kein Wetter, keine Temperatur, kein Sturz etwas anhaben, aber seit einiger Zeit ist sie doch empfindlich geworden, wie unser Hauskater und meine Wichtigkeit, der Clown-Fux Klaus, an dieser Stelle festhalten wollen. Vor drei oder vier Jahren fiel sie einmal vom allerhöchsten Nussbaum, der in unserer Gegend steht. Lediglich eine kleine Schramme am Unterarm und ein Riss im karierten Rock waren die Folge, sonst nichts. Nüsse gab es halt in diesem Herbst keine mehr, aber ich esse sowieso viel lieber Schokokuchen und unser Hauskater fette Feldmäuse der Klasse 1-C.
Unlängst jedoch tauchte Aloisia erst spät und ziemlich langsam beim Frühstück auf. Sie bewegte sich langsam und hatte die Hände im Nacken. Der Kopf war ganz gebeugt, und wenn sie etwas sagen oder sich drehen wollte, sah das aus wie bei einem Roboter, so mechanisch. Robo-Aloisia sozusagen. Sie schien wirkliche Schmerzen zu haben und murmelte etwas von einer Hexe, die schießt oder schoss oder schießen wird, oder so irgendwie, machte sich eine Wärmflasche zurecht und ging langsam wieder zurück ins Bett.
„Eine Hexe hat auf Aloisia geschossen?“, fragte ich unseren allwissenden Hauskater, welcher sogleich sein schlaues Buch holte und nachschaute. „Tatsächlich! Auf Aloisia hat eine Hexe geschossen, sie hat einen Hexenschuss“, stellt der Hauskater kritisch fest. „Das müssen wir rächen, das lassen wir uns nicht gefallen, wir schießen auch auf die Hexe“, hielt ich kämpferisch fest und sammelte sogleich alle Eier, weichen Tomaten und schimmeligen Zitronen sowie Äpfel ein, die mir unter die Pfoten kamen. Unser Hauskater zauberte seine Steinschleuder hervor und schon machten wir uns auf den Weg zur Hexe Amanda, die nicht weit weg von uns wohnt.
Uns war zwar bisher nicht zu Ohren gekommen, dass die Hexe Amanda jemals mit irgendetwas auf jemanden geschossen hätte, im Gegenteil, sie galt als sehr menschenfreundlich und lebte zurückgezogen mit ihrer schwarzen Katze Ida ganz hinten im Wald, aber Strafe musste sein. Ganze drei Stunden brauchten wir, bis wir das kleine Holzhäuschen der Hexe Amanda erreicht hatten. Überall wuchsen Blumen, jede Dachschindel hatte eine andere Farbe und die grünen Fensterrahmen waren gerade frisch gestrichen worden. Amanda war vor dem Haus und bürstet gerade ihre Katze, als unser Hauskater und ich mit dem Schießen anfingen.