"Ich singe dir das Lied von dem berühmtesten Ritter, das ich kenne. Er hat gegen Windmühlen gekämpft, aber vor allem an die Liebe geglaubt. So wie du! Kennst du Don Quijote?“ Wieder schreibt Wilfried „Natürlich“ mit seinen Augen. „Also!“, sagt Flora und beginnt zu singen: „Er träumt, den unmöglichen Traum, ...“ „Da sieht sie, dass sich Wilfrieds Augen mit einer Träne füllen. Flora weiß in der Sekunde, dass Wilfried nicht weinen darf. Denn wenn er weint, bekommt er nicht gut Luft. Darum sagt Fauna, das Einhorn blitzschnell „Geh pfui! Flora blickt das Einhorn an. „Was sagst du da?“ „Pfui! Gefällt mir gar nicht! Gilt es auch als Mutprobe, wenn ICH ein Lied singe? „Du?“ „Ich finde, das ist noch viel „mutigererer“, denn ich habe noch nie gesungen.“, sagt Fauna. „Noch nie?! Ja, das ist dann natürlich schon eine Mutprobe. Was meinst du Wilfried? Du hast ja selbst viel gesungen...“ Wilfried Augen zwinkern ein „ja“.
Da öffnet Fauna, das Einhorn, sein Maul und beginnt mit krächzender Stimme zu singen. Es ist das allerdümmste Lied, das einem Einhorn und auch einem Clowndoctor einfallen kann. Es ist von Helge Schneider und heißt. „Fitze Fitze Fatze “. Die Träne in Wilfrieds Auge verschwindet sofort und er lächelt wieder. Uff. Das war knapp... „Na, hab ICH die Mutprobe bestanden??!“, fragt Fauna. „Bestanden“, schreibt Wilfried. „Hurraaah! ...Bussi! Bussi! Ich hab dich sooo lieb!“ Fauna springt fröhlich auf und ab. Wilfried, das fühlt Flora genau, ist wieder ein wenig traurig. Für einen kurzen Augenblick, legt sie ihre Hand auf die dünne, schlaffe Hand, die auf dem Bett neben seinem Körper liegt. „Danke, dass wir dich besuchen durften.“
Als Flora die Türe leise schließt, sagt sie zu Fauna: „Ich weiß nicht, warum ich auf den Ritter gekommen bin. Vielleicht, weil diese Krankheit wie eine Rüstung ist... Wir haben ihn traurig gemacht.“ Da gibt Fauna Flora ein Busserl auf die Wange. „Er wird bald sterben. Das IST sehr traurig! Lachen und Weinen sind manchmal sehr nah beisammen... Und hier im Hospiz darf liebevoll alles sein, was menschlich ist.“ „Du bist ein schräges, aber weises Einhorn“, sagt Flora. „Fitze fitze...“
Als Flora und Fauna, ein paar Wochen später wiederkommen, brennt am Gang die weiße Kerze... Flora erfährt von der Stationsschwester, dass Wilfried verstorben ist. Dann fügt sie hinzu: „Tageshospiz wartet eine neue Patientin, die sich auf Rote Nasen-Besuch freut.“ Flora atmet kurz tief durch und als sie den Aufenthaltsraum betritt, singt Fauna „Ein bisschen Tratschen tut immer gut. Da wird es jedem wieder leicht zumut.“