Emergency Smile Ukraine: Clowns in den ukrainischen Grenzgebieten

15.März 2022
  • ROTE NASEN Interviews
  • Emergency Smile Ukraine

Wojtek Kowalczyk alias Dr Hilary Gips erzählt von seinem ersten „Emergency Smile“-Einsatz in einem vorläufigen Ankunftszentrum für geflüchtete Menschen aus der Ukraine in Serock/Jadwisin in Polen.

Meine Clownkolleg*innen und ich besuchten eines der Aufnahmezentren in Polen, in denen derzeit hauptsächlich Kinder und ihre Mütter untergebracht werden. Unser Besuch dort war für alle sehr emotional. Wir konnten uns nicht vorstellen, was uns erwarten würde und in welchem Zustand (vor allem psychisch) die Kinder und ihre Mütter sein würden, die erst wenige Tage zuvor aus der Ukraine geflohen waren.

Als wir die Halle betreten haben, zogen wir sofort viele Blicke auf uns: Ich spielte Ukulele, eine meiner Clownkolleginnen zauberte beeindruckend schöne Seifenblasen, ein weiterer Clown schleppte einen großen roten Koffer. Vom ersten Moment an wurden wir sowohl von den Kindern, als auch den Erwachsenen sehr herzlich empfangen. Die Kinder schlossen sich sehr schnell und freudig unserer fröhlichen Parade an und folgten uns, zu dem von mir auf der Ukulele vorgegebenen Rhythmus stampfend, in die große Halle nebenan. Dort hatten wir eine Überraschung vorbereitet. 

In der Halle angekommen, nahmen die Kinder, Mütter und Großmütter Platz. Auf einer etwas improvisierten Bühne führten wir eine Show vor. Schon jetzt merkten wir deutlich, wie sich die Stimmung in der großen, etwas kühlen Halle veränderte. Nach unserer kurzen Performance stellten wir uns alle, in einem großen Kreis stehend, einander vor. Einige der Erwachsenen halfen uns beim Übersetzen, so dass die Sprachbarriere praktisch nicht existent war.

Wir erklärten den Kindern, dass wir ihnen nun gerne ein paar Clown-Tricks beibringen möchten. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass das so gut ankommt! Die Kinder kamen sofort auf uns zu und nahmen unser Zirkus-Equipment genau unter die Lupe. Wir verteilten unsere Mitbringsel und wenige Minuten später waren überall, wohin man nur blickte, Kinder, die hochkonzentriert übten mit Bällen oder bunten Tüchern zu jonglieren, oder gerade versuchten einen Teller auf einem Stock zu balancieren und drehen. Die Halle wirkte gleich um einiges farbenfroher und freundlicher. Wir zogen unsere Runden, gaben den Kindern hochprofessionelle Clown-Tipps, oder ließen auch mal etwas ungeschickt den einen oder anderen Ball fallen. Auch die Mütter ließen sich auf unsere Späße und das Spiel ein.

Ich hatte den Eindruck, dass während dieser drei Stunden, die wir dort waren, fast jede (r) in diesem Raum für einen Moment die düstere Realität vergaß. Die Realität, die sie in dieses Zentrum gebracht hatte.

Ohne den Kontext zu kennen, warum diese Menschen an einem solchen Ort sein müssen, hätte man glauben können, es handelt sich hier um eine "ganz normale" Gruppe von Kindern, die sich freuen, auf Clowns zu treffen. Dann gab es aber doch immer wieder Momente, die uns daran erinnerten, warum wir alle hier waren. Zum Beispiel als eine der Mütter, ihren Mann, der in der Ukraine geblieben war, um sein Heimatland zu verteidigen, per Messanger kontaktierte, um ihm zu zeigen, wie viel Spaß ihr Kind gerade hatte. Oder als ein Mädchen, dem ich ein paar Grundgriffe auf der Ukulele zeigte, mir mit einem traurigen Lächeln erzählte, dass es für sie nicht schwierig ist - da sie zuhause bereits seit Jahren Geige gespielt hat. Statt an ihre nächste Geigenstunde zu denken, muss sich dieses Mädchen nun Gedanken machen, ob sie jemals wieder in ihre Heimat zurückkehren kann, oder ob diese Heimat überhaupt noch existieren wird. 

Es hat mich sehr berührt, wie schnell sowohl die Kinder als auch ihre Eltern uns vertraut haben. Die Bereitschaft, an unserem Spiel teilzunehmen, das große Interesse der Kinder, ihrer Mütter und Großmütter, zeigte uns deutlich, wie sehr sie in dieser Halle Momente der Normalität vermissen. Wir hatten das Gefühl, dass diese Kinder für drei Stunden, in einer Welt sein konnten, in der jedes Kind jeden Tag sein sollte. In einer Welt, in der sie nicht von Gefahr, Angst, der Trennung von ihren Liebsten und Krieg bedroht sind. In einer Welt, in der sie im Spiel ihre bisher verborgenen Talente entdecken können. In einer Welt, in der die Mutter lächelnd zusieht und den Moment genießen kann, während ihr Sohn stolz mit drei Bällen jongliert oder ein Clown auf magische Weise eine rote Nase hinter seinem Ohr verschwinden lässt.

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