Wachkomapatientin lächelt Franz an während er mit ihr plaudert

Ein behutsamer Ausflug in ein anderes Leben #1

02.April 2020
  • Clowns im Einsatz

Da es die momentane Situation leider nicht zulässt, dass Franz die Patient*innen wie gewohnt regelmäßig besucht, freuen wir uns umso mehr auf zukünftige Clown-Visiten! Bis dahin erinnern wir uns an viele schöne Begegnungen, die wir im Franz Gerstenbrand Wachkoma Department erleben durften …

Ein Besuch im Franz Gerstenbrand Wachkoma Department

Als Franz die Tür zum Franz Gerstenbrand Wachkoma Department durchschreitet sieht er aus, als würde er aus einem bunten Gemälde springen. Mit seinem „Traktor“, seiner Scheibtruhe, mit grünen Reifen und rosa Gestell, transportiert er verschiedenste Dinge. Eine kleine Trompete, seine Ziehharmonika, farbenfrohe Tücher und eindrucksvoll bedruckte, riesige Fächer begleiten ihn dieses Mal auf seinem wöchentlichen Besuch.

Franz ist von Beruf ROTE NASEN Clowndoctor. Sein Traktor ist auf maximal 10 km/h zugelassen.

Guten Tag!

Bevor Franz seine Besuchertour beginnt, führt ihn sein Weg zum Pflegepersonal der Abteilung. „Hallo! Wer von euch hat Zeit für eine Übergabe?“ Die ist wichtig! Durch sie weiß Franz, wen er besuchen kann, ob er an eine Therapie oder ein Ereignis anknüpfen soll, oder ob jemand Ruhe braucht und keinen Besuch haben möchte.

Nach der Übergabe macht sich Franz an die Arbeit: Langsam und sehr behutsam nähert er sich einem Patienten im Tagsaal der Abteilung. Eine Fernsehkommode, Sitzbänke und Tische erinnern an ein Wohnzimmer. „Guten Tag Herr Wodaschek*, wie geht es Ihnen?“ Franz steht Herrn Wodaschek nahe gegenüber, so dass er im Blickfeld des Patienten ist. Herr Wodaschek muss den Kopf nicht heben, um Franz zu sehen. Das kann er im Sitzen auch gar nicht. „Wissen Sie, ich muss Ihnen etwas erzählen!“ Die Augen von Herrn Wodaschek haben Franz „gefunden“ und fixieren ihn. Die Augenlider zucken fast unmerklich. „Ich habe vor mit meiner Minna auf den Opernball zu gehen. Kennen Sie die Fächer-Polonaise? Ich werde sie am Opernball mit meiner Trompete spielen!“ Die Augen von Herrn Wodaschek weiten sich. Franz holt beschwingt seine Trompete aus seinem „Traktor“. „Ich bin gleich wieder bei Ihnen Herr Wodaschek. Ich gebe Ihnen eine musikalische Kostprobe.“ Franz bringt sich vor Herrn Wodaschek in Stellung und fängt leise an zu spielen. Ein Dämpfer verhindert, dass die Trompete in voller Lautstärke erklingt.

Franz besucht Wackomapatientin und spielt ihr leise etwas auf Trompete vor

Viele Patient*innen können hören, sehen, fühlen, die Sinneseindrücke werden bewusst oder unbewusst wahrgenommen. Manche Wachkomapatient*innen können sogar sehr laut hören, während andere Sinneswahrnehmungen durch die ausgeprägte Hirnschädigung verloren gehen. Sie reagieren auf für sie bekannte Stimmen, und werden z.B. durch musikalische Reize stimuliert.

Auch Herr Wodaschek: Beim Klang der Trompete zucken seine Mundwinkel. Franz ist begeistert und schwärmt. „So werde ich am Opernball spielen und Minna wird dazu mit dem Fächer tanzen!“

Menschen im Wachkoma sind Menschen wie du und ich

Bei all den Schwierigkeiten, die das Apallische Syndrom mit sich bringt, bleibt eines gleich: Wachkomapatient*innen sind Menschen wie du und ich. Menschen, die schwer behindert sind. Das multiprofessionelle Team – zu dem auch Franz und seine Kollegin Minna zählen – legt großen Wert auf einen „ganz normalen“ Umgang. Dazu gehört Patient*innen gezielt zu begrüßen und sich zu verabschieden. Eine sogenannte „Initialberührung“ hilft dabei, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Franz mit Schwester und Wachkomapatient lächeln in die Kamera

Ein anderer Lebensrhythmus

Durch die veränderte Wahrnehmung ist weniger oft mehr. Der Lebensrhythmus ist ein anderer: Menschen im Wachkoma können sich häufig nur auf eine Person konzentrieren. Daher werden Clownbesuche im Franz Gerstenbrand Wachkoma Department von Franz oder seiner Arbeitskollegin Minna alleine durchgeführt. Im Unterschied zu anderen Clownbesuchen, bei denen Clowns im Duo auftreten.

Franz erzählt: „Ich besuchte immer wieder Herbert*, sprach mit ihm, sang und machte Musik. Er lag mit offenen Augen im Bett, zeigte jedoch keinerlei Regung. Nur die Augen konnte er bewegen und bewusst auf- und zumachen. Dadurch konnte er auf Ja- und Nein-Fragen antworten. Dabei bedeutet einmal „Augen zu“ Ja, kein „Augen zu“ Nein. Man nennt dies den Augencode. Mit Hilfe von Buchstabentafeln können diese Patienten dann Wörter und Sätze bilden.

Eines Tages kam Herberts Tochter zu mir und bedankte sich dafür, dass ich letzte Woche „strangers in the night“ für ihren Vater auf der Trompete gespielt hatte. Ich war verwundert und fragte nach, woher sie dies wisse. Sie erzählte, dass ihr Vater es mittels Augencode erzählt hatte. Dabei hatte sie es zuerst nicht verstanden, das Wort „strangers“ ergab für sie keinen Sinn. Bis ihr Vater „Englisch“ buchstabierte ….“

Mittlerweile lebt Herbert wieder zu Hause.

*Name von der Redaktion aus Datenschutzgründen geändert

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